
Nutzniessung oder Wohnrecht: Welche Rechte bestehen und worin unterscheiden sie sich?
In der Schweiz kommen zwei besondere Rechte immer wieder zum Einsatz, wenn Immobilien im Zuge von Erbschaften oder Schenkungen übertragen werden: die Nutzniessung und das Wohnrecht. Beide zählen zu den sogenannten Dienstbarkeiten und gewähren Dritten bestimmte Nutzungsrechte an einer Immobilie – ohne dass sie deren Eigentümer werden. Doch wo liegen die Unterschiede? Und welches Recht eignet sich in welcher Situation besser?
Grundlagen: Was versteht man unter Nutzniessung und Wohnrecht?
Sowohl Nutzniessung als auch Wohnrecht sind beschränkte dingliche Rechte, die im Schweizer Zivilgesetzbuch (ZGB) geregelt sind. Diese Rechte erlauben es, eine Immobilie in einer bestimmten Weise zu nutzen, obwohl man nicht deren Eigentümer ist.
Zentrale Merkmale:
- Beide Rechte werden ins Grundbuch eingetragen.
- Sie gelten entweder unbefristet oder für eine bestimmte Dauer.
- Die Berechtigten können in der Regel nicht über die Immobilie verfügen (kein Verkauf, keine Belastung mit Hypotheken).
- Beide Rechte können unentgeltlich oder entgeltlich eingeräumt werden.
Nutzniessung: Mehr Rechte, aber auch mehr Pflichten
Die Nutzniessung (Art. 745 ff. ZGB) ist das weitergehende Recht. Sie erlaubt dem Nutzniesser, den vollen wirtschaftlichen Nutzen aus der Immobilie zu ziehen – inklusive Vermietung.
Rechte des Nutzniessers:
- Eigennutzung: Der Nutzniesser darf die Immobilie selbst bewohnen.
- Vermietung: Die Immobilie darf auch ganz oder teilweise vermietet werden.
- Erträge: Mietzinseinnahmen stehen dem Nutzniesser zu.
Pflichten des Nutzniessers:
- Kosten: Er trägt die laufenden Kosten wie Hypothekarzinsen, Unterhalt, Versicherungsprämien und Abgaben.
- Steuern: Der Eigenmietwert oder die erzielten Mieten müssen versteuert werden, ebenso wie je nach Kanton Vermögens- und Liegenschaftssteuern.
Die Nutzniessung eignet sich besonders dann, wenn jemand zwar nicht Eigentümer sein soll, aber wirtschaftlich möglichst uneingeschränkt von der Immobilie profitieren möchte – zum Beispiel im Rahmen einer generationsübergreifenden Vermögensplanung.
Wohnrecht: Beschränkter Zugang zur Nutzung
Im Gegensatz zur Nutzniessung ist das Wohnrecht (Art. 776 ff. ZGB) deutlich eingeschränkter. Es handelt sich um ein höchstpersönliches Recht, das in der Regel nicht übertragbar ist.
Rechte des Wohnberechtigten:
- Ausschliessliche Eigennutzung: Die betroffene Person darf die Immobilie oder einen Teil davon bewohnen.
- Keine Vermietung: Das Wohnrecht schliesst eine wirtschaftliche Nutzung durch Vermietung aus.
Pflichten des Wohnberechtigten:
- Nebenkosten und Unterhalt: Die gewöhnlichen Betriebs- und Unterhaltskosten müssen selbst getragen werden.
- Steuern: Der Eigenmietwert ist steuerlich zu deklarieren, weitere Steuern fallen in der Regel nicht an.
Ein Wohnrecht wird häufig älteren Menschen eingeräumt, die nach einer Schenkung weiterhin in ihrem Haus wohnen möchten – ohne sich jedoch um Hypotheken oder Versicherungen kümmern zu müssen.
Gegenüberstellung: Nutzniessung vs. Wohnrecht
Welche Rechte verbleiben beim Eigentümer?
Auch wenn durch die Einräumung eines Wohnrechts oder einer Nutzniessung bestimmte Befugnisse auf eine Drittperson übertragen werden, bleiben gewisse Rechte immer beim Eigentümer:
Eigentumsrechte, die bestehen bleiben:
- Verfügungsrecht über das Eigentum: Der Eigentümer kann die Immobilie weiterhin verkaufen oder vererben – allerdings immer unter Berücksichtigung des bestehenden Wohn- oder Nutzniessungsrechts. Diese Rechte bleiben auch nach einem Eigentümerwechsel bestehen, da sie im Grundbuch eingetragen sind.
- Grössere Unterhaltsarbeiten: Obwohl der Nutzniesser z. B. für den normalen Unterhalt aufkommen muss, bleibt der Eigentümer übergeordnet verantwortlich dafür, dass die Immobilie nicht verfällt. In bestimmten Fällen kann der Eigentümer zur Durchführung von grossen Investitionen oder Instandstellungen verpflichtet sein.
- Belastung mit Grundpfandrechten: Der Eigentümer entscheidet alleine, ob die Immobilie mit einer Hypothek oder anderen Rechten belastet wird.
Wichtig zu wissen:
Ein Eigentümer kann eine Immobilie mit einem Wohnrecht oder einer Nutzniessung nur eingeschränkt nutzen – er darf sie beispielsweise nicht selbst bewohnen oder vermieten, solange das entsprechende Recht besteht. Diese Einschränkung macht eine präzise vertragliche Regelung sowie eine genaue Abwägung im Vorfeld unerlässlich.
Welche Variante passt zu welcher Situation?
Die Wahl zwischen Wohnrecht und Nutzniessung hängt stark vom Einzelfall ab – insbesondere von der Lebenssituation und den wirtschaftlichen Zielsetzungen der beteiligten Personen.
Wann ist ein Wohnrecht sinnvoll?
- Wenn jemand dauerhaft in der Immobilie wohnen möchte, ohne wirtschaftliche Verantwortung zu übernehmen.
- Wenn eine einfache rechtliche Struktur gewünscht ist, etwa im Rahmen einer vorweggenommenen Erbfolge.
Wann bietet sich eine Nutzniessung an?
- Wenn die Nutzung wirtschaftlich verwertbar sein soll, etwa durch Vermietung.
- Wenn der Nutzniesser bereit ist, die damit verbundenen Verpflichtungen zu übernehmen.
Wie werden Nutzniessung oder Wohnrecht errichtet?
Beide Rechte können durch:
- Vertragliche Vereinbarung (z. B. im Schenkungsvertrag),
- Verfügung von Todes wegen (z. B. Testament),
- oder gesetzliche Regelung entstehen.
Damit sie rechtlich durchsetzbar sind und auch gegenüber Dritten gelten, ist der Eintrag im Grundbuch zwingend erforderlich.
Fazit: Rechte mit Weitblick gestalten
Wohnrecht und Nutzniessung sind zentrale Instrumente der Immobilien- und Nachlassplanung. Während das Wohnrecht eher auf die persönliche Absicherung ohne wirtschaftliches Risiko zielt, erlaubt die Nutzniessung eine umfassendere Nutzung – erfordert aber auch finanzielle Verantwortung.
Ein professioneller Rat – etwa durch einen Notar oder Immobilienexperten – ist empfehlenswert, um die richtige Lösung für die individuelle Lebenssituation zu finden und rechtlich korrekt umzusetzen.
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Wichtige Punkte
- Nutzniessung erlaubt die umfassende Nutzung und auch Vermietung einer Immobilie, bringt aber finanzielle Pflichten wie Unterhalt und Steuern mit sich.
- Das Wohnrecht ist auf die persönliche Nutzung beschränkt, einfacher in der Handhabung und nicht übertragbar.
- Beide Rechte werden im Grundbuch eingetragen, doch das Eigentum – inklusive Verkaufsrecht – verbleibt immer beim Eigentümer.